Dche, 23.05.03; 24 SAATI, 24.05.03 - Tbilisi Sakartwelo.

Avantgarde auf großer Fahrt - Kreidler am 23.09.2003 im zakk

(f): Manuel Falckenberg

 
Neben dem Laptop liegt eine halbe Tafel Schokolade mit ganzen Nüssen. Irgendwo zwischen Tisch, Synthiepodesten und Schlagzeug stehen Mineralwasser und Bier. Sollte das der Proviant sein, mit dem die drei Düsseldorfer Elektroniker von Kreidler auf Südost-Asientour gehen? Die Uhr läuft. Ticktock. Ticktock.

Die Zuhörer im Club des zakk folgen dem Trio auf der Reise durch das Herz der Dunkelheit ins Neonlicht. Sie schippern mit auf dem Klangfluss, vom stillen Quell bis ins turbulente Delta. Zunehmend werden Klavierspielereien mit stampfenden Beats angereichert. Animateur Detlef Weinrich lockert die spannungsgeladene Atmosphäre mit freundlichen Worten auf. Er ist in Urlaubslaune, trägt bereits Sandalen und will einfach keinen Ernst aufkommen lassen. Kreidler zelebrieren ihre eigene, grandiose Version des Elektropop. Was mit dem Longplayer "Weekend" begann ist hörbar komplexer - ja beinahe zur Jazzperformance - geworden. Thomas Klein setzt sich nach einiger Zeit vom Schlagzeug an das waise Laptop. Schnell verfällt auch er in die kühle, konzentrierte Starre seiner beiden Kollegen, die wie Safeknacker über ihren Weg durch den Klangfluss wachen.

Gekonnt werden die hektischen Ken Ishii-Strudel umschifft und Orbital-Stampfer elegant gemieden. Um sanfte Loops vom unsichtbaren Vibrafon legt sich abstrakter Dancefloor. Doch bevor die kopfnickenden Gäste in Trance verfallen, wird die Harmonie erschlagen. Piepsige Samples haben plötzlich das Sagen. Haben Mouse on Mars das Traumschiff gekapert?

Ein plötzlicher Computerabsturz hinterlässt einen ratlosen Andreas Reihse, der das Ruder dann doch noch zur Zugabe umreißen kann. Virtuelles Glasperlenspiel beendet den mitreißenden Set. Der stürmische Applaus beweist, dass Kreidler wieder einmal zeigen konnten, dass die Möglichkeiten elektronischer Musik noch lange nicht ausgeschöpft sind.

Michael Wenzel, Domkultur, D 28.09.2003